Ian ist heute Morgen gerannt, als ob er Hummeln im Hintern hat. Das Knie war übrigens wieder fit, und so konnte ich gut Schritt halten. Trotzdem hat es Paul irgendwie geschafft, uns einzuholen. Weil wir uns gestern so prächtig verstanden haben, beschloss ich heute mit ihm zu wandern. Das hatte allerdings auch seinen Preis. Als wir nach einem 3 stündigen Dauerlauf den Ortseingang von Logroño erreichten, hatten sich auf meinen Zehen 6 kleine Blasen gebildet. So ist das eben, wenn man nicht auf seinen Körper hört und stattdessen meint, wie ein Geisteskranker rennen zu müssen.

Magret mischte sich heute unfreiwillig unter die „Busogrinos“ – abgeleitet von „Peregrino“, zu Deutsch Pilger. All jene, die per Bus von einer Herberge zur nächsten fahren, sind folglich die Busogrinos. Daneben gibt es noch die Taxigrino und Hotelogrinos. Dass das Benutzen von Verkehrsmitteln völlig am Sinn einer Pilgerreise vorbei geht, sollte jedem klar sein. In Magrets Fall war es jedoch unvermeidlich – ein verstauchter Knöchel ließ sie nur noch humpeln. Ihre Fahrt dauerte 23 Minuten, während wir insgesamt 5 Stunden wanderten. Aber darüber denkt man am besten nicht nach. Ohnehin ist der Weg das Ziel, richtig? Man muss es sich nur immer wieder einreden, dann glaubt man es auch!

Als Eddie und Ian später eintrudelten, haben wir eine Unterkunft gesucht. Paul mitsamt Familie hatte ein Hotelzimmer reserviert. Eine Albergue war schnell gefunden. Die Herbergsmutti kommt ursprünglich aus Deutschland und war auf ihre eigene Art ziemlich lustig. Sie war schon etwas älter, geschätzt Mitte Ende 70, und sprach nur noch ein paar Worte Deutsch. Um uns ihre Herberge und die Regeln zu zeigen, hat es aber allemal gereicht. Am Nachmittag wollten wir uns ein wenig in der Stadt umsehen. Keine 10 Minuten später wurden wir von einem ‚umfangreichen‘ Mann an seinen Tisch vor einem Café rangewunken. Ich hab ihn vorher noch nie gesehen, aber anscheinend kannte er Ian. Sein Name ist Phil, aus Irland. Zu seiner Rechten saß eine junge Frau aus Litauen – ungefähr mein Alter. Phil erzählte, dass er den Jakobsweg letztes Jahr schon einmal mit seinem 14 jährigen Sohn gepilgert ist und wie gut ihm die Bewegung tut. Die ersten 2 Wochen sind immer die schlimmsten. Danach hat sich sein, im Verhältnis zu seinem Gewicht, viel zu kleiner Körper an die Tagesmärsche gewöhnt. Ich wünschte, ich könnte das selbe behaupten. Die Blasen an den Füßen machen mir ganz schön schwer zu schaffen. Später gesellte sich Sandra aus Deutschland zu unserer geselligen Runde dazu. Sie erzählte von einem 60 jährigen Pilger, der bei ihr in der Herberge übernachtet. Im Jahr 2012 ist er den Jakobsweg ganze zwölfmal gewandert ist. Für jeden Apostel einmal. Respekt! Bevor wir uns am Abend von der inzwischen ziemlich großen Runde verabschiedeten, gab uns Phil noch den Tipp, auf den nächsten Etappen Betten zu reservieren. Gott sei Dank haben wir eine Deutsch-Spanisch sprechende Herbergsmutti, die uns bestimmt den Gefallen tut und ein paar Betten reserviert. Nicht, dass ich das nicht auch mit meinem perfekten Spanisch hinbekommen hätte! Mit Sandra hab ich noch die Emailadresse ausgetauscht, weil sie auch gerne eines wollte.

Zurück in unserer Albergue begann eine 2 stündige Diskussion mit Eddie über die morgige Etappe. Wir hatten nur die Wahl zwischen Navarrete (12km), Ventosa (19km) und Najera (29km). Es war mir schleierhaft, wie man so ein Drama daraus machen kann. Am Ende entschied sich Eddie für die kürzeste Variante. Das war mir dann doch eindeutig zu wenig. Schließlich hab ich nur noch knapp zwei Wochen Zeit und ich will mich nicht im Schneckentempo fortbewegen. Ian gab mir daraufhin den einzig richtigen Ratschlag: „Es ist dein Camino, nicht der deiner Freunde. Tu was DU für richtig hältst“. Meinem Herz folgend, beschloss ich mit Sandra nach Najera zu gehen. Unsere Herbergsmutti konnte zu dieser späten Stunde leider niemanden mehr erreichen. Sie wollte es am nächsten Morgen noch einmal probieren und mich dann auf Handy anrufen. Ich schrieb Sandra, dass wir im Moment noch ohne Betten dastehen. Wir verabredeten uns zu um 10 Uhr in Navarette, um dann zu entscheiden, wie es weitergeht.

 

 

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