Schon um 5 Uhr ging das Gewusel im Schlafsaal los. An weiterschlafen war nicht zu denken. Als ich von der Toilette zurückkam, bin ich gegen eine Wand des Gestanks gelaufen. Was genau genommen nicht allzu verwunderlich ist. Wir haben mit 92 Mann in einem großen Raum ohne Belüftung geschlafen. Die Tür war selbstverständlich ebenfalls geschlossen. Mann, war das ekelhaft! Sandra hab ich nur noch einmal kurz gesehen, sie war eine der ersten, die das Haus verließ. Somit war ich wieder auf mich allein gestellt. Sicherlich hätte es auch die Option gegeben, auf Eddie und Ian zu warten. Aber zum einen hatte ich keine Lust auf einen Ruhetag und zum anderen hatte ich das Gefühl, dass es an der Zeit war, neue Bekanntschaften zu machen. Es sollte auch gar nicht lange dauern, bis ich jemanden zum Erzählen gefunden hatte. Eine nette Australierin sprach mich nach der ersten Frühstückspause in Azofra an. Diese Frau hatte was Besonderes an sich. Statt der üblichen Camino-Smalltalk-Oberflächlichkeiten hat sie wahnsinnig spannende Geschichten aus ihrem Leben erzählt. Liz hat ihr ganzes Leben dem Reisen gewidmet. In ihren 55 Lebensjahren hat sie 54 Länder bereist. Außerdem ist sie eine begeisterte Bikerin, was sie gleich nochmal sympathischer machte.

Zum Mittag haben wir in einer Bar Rast gemacht. Und wer saß davor?! Stuart aus Neuseeland. „What are you doing here?“ brachte ich nur heraus.  Ich dachte er will den Jakobsweg in 20 Tagen laufen. Dann hätte er schon viel weiter sein müssen. Stattdessen saß er genüsslich seine Zigarette rauchend vor uns. Seine Begleiterin hieß Eszter, eine Holländerin. Wir waren fast im selben Alter und verstanden uns auf Anhieb prächtig. Wie der Zufall es wollte, hatten wir uns alle Santo Domingo als Zielort für heute ausgesucht. Darum beschlossen wir, gemeinsam dorthin zu gehen. Stuart ging mit Liz vorneweg, während Eszter und ich die Nachhut bildeten. Die Zeit ist wie im Flug verflogen und ehe wir uns versahen, standen wir vor der öffentlichen Albergue von Santo Domingo. Nur Stuart ist uns irgendwie am Ortseingang abhandengekommen. Eszter verabschiedete sich von uns, nicht wissend, ob sie in der gleichen Herberge übernachten, wenn sie Stuart wiedergefunden hat.

Die Unterkunft glich einem Pilgerhotel für bis zu 220 Pilger, aufgeteilt in 10 Schlafsälen. Es gab sogar einen Physiotherapeuten, der sich gegen einen kleinen Obolus um die ramponierten Füße der Pilger kümmerte. Der Andrang auf seine Dienste war riesig! Auch sonst mangelte es an nichts. Es gab einen großen Aufenthaltsraum mit Ledersesseln und Fernseher, eine top ausgestattete Küche, und Waschmaschinen für die dreckigen Klamotten. Was Stuart und Eszter wohl dazu sagen würden? Als ob sie den Braten gerochen haben, standen sie kurz darauf in der Eingangstür. Besser geht’s nun wirklich nicht! Am Nachmittag schauten wir uns die festlich geschmückte Stadt an. Zwei Stiere führten den Festumzug an, der sich durch die vielen Straßen schlängelte. Männer sind mit Schubkarren, an denen 2 Hörner festgemacht waren, durch die Straßen gelaufen und haben ein paar Schaulustige gejagt. Der Festzug machte natürlich auch in der Kirche halt. Spanien ist sehr katholisch. Ungefähr 90 Prozent der Spanier sind Katholiken. In dieser Kirche, und das macht sie so besonders, sitzt ein Hahn. Es heißt, dass man mit Glück auf dem Jakobsweg gesegnet ist, wenn er während des Aufenthalts kräht. Uns wollte er den Gefallen zwar nicht tun, war aber auch gar nicht nötig. Uns hätte es nicht besser gehen können! Unsere 4er Gruppe war einfach ein super Team. Es wurde viel Gelacht, die Stimmung war entspannt – so wie man sich das vorstellt! Am Abend hat Eszter DEN Vorschlag überhaupt gemacht. Warum nicht morgen zusammen einen Ruhetag in Santo Domingo einlegen? Eine klasse Idee, wie wir alle fanden. Wir müssen uns dann allerdings eine neue Unterkunft suchen. In den öffentlichen Herberge darf man nur eine Nacht bleiben, es sei denn, man ist krank.

Vor dem Einschlafen gab es nochmal ordentlich was zu lachen. Eines der Betten hat fürchterlich gequietscht, und der darin liegende Pilger hat es nicht geschafft, ruhig liegen zu bleiben. Die ganze Zeit machte es nur *Quietsch**Quietsch**Quietsch* Wir kamen gar nicht mehr aus dem Lachen raus. *Quietsch**Quietsch*

 

 

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