Heute geht es nach Burgos! Normalerweise bin ich kein Freund von großen Städten, aber nach Tagen der Langeweile in den kleinen Kleckerdörfern, versprach das eine willkommene Abwechslung zu werden. Länger als 4:20 Uhr konnte ich dank der Schnarcher und der viel zu weichen Matratze nicht schlafen. In völliger Dunkelheit machte ich mich auf den Weg. Als Taschenlampe diente das Handy. Ungefähr eine halbe Stunde bin ich die Straße entlang gegangen, bevor mich allmählich der Gedanke beschlich, nicht mehr auf dem richtigen Pfad zu sein. Der letzte Wegweiser lag schon ein gutes Ende zurück. Laut Handbuch hätte ich irgendwann links in den angrenzenden Wald einbiegen müssen. Also bin ich wieder umgekehrt und hab die Abzweigung dann beim zweiten Anlauf gefunden. Im Wald hat man nur eines gehört – absolute Stille. Das ist nicht häufig der Fall, denn oftmals ist der Camino ziemlich überlaufen. Manchmal hab ich eine Pause eingelegt, wenn es mir zu laut wurde. Die spanischen Frauen waren von allen die schlimmsten. Die meisten Spanier sprechen extrem schnell und zusammen mit der harten Aussprache, hört es sich für meine Begriffe wie ein Maschinengewehr an. Von vielen Ausländern habe ich übrigens gesagt bekommen, dass sich Deutsch so anhört, als würde man sich dauernd beschimpfen.

Die letzten 11 km vor Burgos waren die langweiligsten des ganzen Jakobsweges. Er führte an einer gigantischen Industrieanlage entlang, wo es nichts anderes zu sehen gab als den Sicherheitszaun und ein paar Gebäude in weiter Ferne. Weil ich so früh gestartet bin, musste ich ziemlich lange auf die anderen warten. In der Zeit habe ich meine Füße massiert. Ethan hat uns gestern gezeigt, welche Technik die besten Ergebnisse erzielt. Ob es nur ein ständiger Muskelkater oder etwas Ernsteres mit Füßen war, kann ich schwer einschätzen. Sie haben allerdings noch fast 2 Monate nach dem Urlaub geschmerzt. Schuld waren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit meine uralten, platt gelaufenen Schuhe.

Liz kam kurz vor der Mittagszeit an. Da sie zwischendurch zwei Pausen eingelegt hat, und auch sonst nicht sonderlich schnell gegangen ist, muss Stuart einen anderen Weg eingeschlagen haben. Anderenfalls wäre er schon längst aufgekreuzt. Deshalb beschlossen wir, in die Stadt zu gehen und eine Herberge zu suchen. Ich dachte, dass es nicht mehr weit sein kann und schlüpfte in die Badelatschen. Weit gefehlt! Ganze 2 Stunden lang gingen wir durch Burgos. Mit Liz konnte ich in den Latschen nicht lange mithalten, also ging ich nach kurzer Zeit alleine. Die Ausschilderung war grauenvoll. In jedem kleinen Dorf findet man mehr Wegweiser als hier. Kurz vor der Kathedrale traf ich Ralf, den pensionierten Lehrer, wieder. Er und Niko fliegen morgen zurück nach Deutschland und laufen den Rest im September. Der Glückliche berichtete mir stolz, dass er nicht eine einzige Blase bekommen hat. Wenn ich doch auch nur ein bisschen Geld in neue Schuhe investiert hätte! Nach einem netten Plausch verabschiedeten wir uns voneinander. Ich hab mich richtig gefreut, ihn noch einmal zu sehen – vor allem war es ein riesen Zufall! Denn Burgos ist mit rund 170.000 Einwohnern alles andere als klein. Und in eben dieser Stadt stand ich jetzt vor der Aufgabe meine Freunde wiederzufinden. Blöderweise haben wir uns nicht schon vorher auf eine Herberge geeinigt. Deshalb ging ich als erstes zu der größten. Keine 2 Minuten nachdem ich mich von Ralf verabschiedete, rief Stuart von irgendwoher meinen Namen. Auf die Frage, wo er langgegangen sei, antwortete er nur achselzuckend „Keine Ahnung, aber der Camino war es sicher nicht“. Er zeigte mir die Albergue, wo er und Liz eingecheckt haben. Nur von Eszter war keine Spur. Stuart meinte sie vielleicht zwischen den ganzen Pilgern gesehen zu haben, ganz sicher war er sich aber nicht. Der Mann, der für die Bettenliste verantwortlich war, verspürte nicht die geringste Lust uns zu helfen und durch die 200 Namen zu gehen, um nach Eszter zu suchen. Wir vermuteten, dass sie inzwischen zum Arzt gegangen ist. Sie kam ja schon recht früh mit dem Bus an und hätte genügend Zeit dafür gehabt.

Am Abend spielten Stuart und ich mit ein paar anderen Pilgern Karten und erfuhren von ihnen, dass die Bettenlage in den nächsten Dörfern wieder völlig katastrophal sein wird. Darum beschlossen wir morgen schon um 5:30 Uhr zu starten.

 

 

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