Punkt 5 Minuten nach halb 6 standen Stuart und ich startklar vor der verschlossenen Eingangstür. Und die würde auch nicht vor 6:30 Uhr aufgeschlossen werden. Das hätte uns auch mal einer früher sagen können. Während wir warteten, regnete es sich richtig schön ein. Eigentlich war für heute ein 30 km Marsch geplant. So wie es aussieht, fällt der wohl ins Wasser. Als wir endlich das Haus verlassen konnten, fing eine Irrfahrt durch Burgos an. Nicht nur weil es dunkel war, sondern vor allen Dingen weil es aus der Stadt heraus gefühlt noch weniger Pfeile gab, als in die Stadt hinein. Durch mehr Glück als Verstand haben wir es dann doch noch geschafft. Zu dem heftigen Regen gesellte sich ein starker Wind. Wir waren beide bis auf die Knochen durchgefroren. Und mit den nassen Füßen konnte man sich ganz schnell neue Blasen holen. Unter einer Brücke hat Stuart mir den Tütentrick gezeigt. Nicht was ihr jetzt vielleicht denkt – ihr Ferkel! Man nimmt 2 Plastiktüten und zieht sie über die Socken. Wenn alles nach Plan läuft, bleiben die Füße darin trocken. Zumindest in der Theorie, denn meine Füße waren viel zu groß und das Wasser konnte ungehindert reinlaufen.

In einem kleinen Dorf namens Tardajos, keine 11 km von Burgos entfernt, haben wir beschlossen für heute zu bleiben. Es gab laut Reiseführer eine Herberge, die wir nach kurzem Suchen gefunden haben. Die Pilger vom Vortag haben dort noch auf besseres Wetter gewartet. Wir konnten uns erst um 15 Uhr offiziell in die Bettenliste einschreiben, weil die Herbergsmutti noch saubermachen musste. Stuart versuchte indes, ihr seine Hilfe anzubieten. Mit vollem Körpereinsatz wollte er ihr verständlich machen, dass er bei der Hausarbeit helfen wolle. Die alte Frau hat daraufhin irgendetwas energisch in Spanisch erwidert. Dieser „Dialog“ ging ein paar Minuten – von außen betrachtet war es einfach nur zum Schießen komisch.

Liz kam nach wenigen Minuten die Straße entlang getrottet und war froh, nicht weiter gehen zu müssen. Auf dem Rückweg von unserer Einkaufstour in dem örtlichen Tante-Emma-Laden, kam uns die verloren geglaubte Eszter entgegen. Mann, waren wir froh sie wiederzusehen! Sie hat sich mit ihren kaputten Füßen 4 Stunden lang durch den Regen gekämpft. Zum Arzt ist sie gestern nicht gegangen, wie wir erst vermutet haben. Stattdessen hat sie sich einen schönen Tag in der Stadt gemacht und die Kathedrale besichtigt. Als sie so davon schwärmte, wünschten wir, wir hätten es ihr gleich getan. Bis zum Nachmittag blieb uns nichts anderes übrig, als in der Bar zu warten und Däumchen zu drehen. Im Bad habe ich noch krampfhaft versucht, meine Hose unter dem Händetrockner zu trocknen. Ansonsten gab es einfach nichts zu tun. Zum Glück kam am Nachmittag die Sonne raus. Liz zeigte uns, wie man die Schuhe mit etwas Zeitungspapier relativ schnell wieder trocken kriegt.

Zu unserer Begeisterung tauchte Pete, der schnarchende, etwas nervtötende junge Norweger plötzlich wie aus dem Nichts vor uns auf. Er beschwerte sich lauthals, dass sein Kumpel ihn heute Morgen nicht geweckt hat und er deshalb bis zum Mittag geschlafen hat. So wie ich das sehe, wollte er ihn einfach loswerden. Als ob wir Zucker in der Taschen hätten, verfolgte er uns für den Rest des Tages auf Schritt und Tritt. Eszter zog mich damit auf, dass ich jetzt auch eine männliche Cecilia habe – haha, sehr witzig!

 

 

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