Yeah, heute ist Stuart’s Geburtstag! Aus gegebenem Anlass haben wir uns um 10 Uhr in einer Bar versammelt und mal so richtig geschlemmt. Zum Abendbrot wünschte er sich ein Pilgermenü. Den Gefallen tun wir ihm gerne. Obwohl mal wieder Regen angesagt wurde, schien uns die Sonne auf den Bauch. Bevor es uns zu gemütlich wurde, nahmen wir den zweiten Teil der Etappe in Angriff. Voller Elan stürmte ich großen Schrittes voraus, nur um dann 2 Stunden später vom Hunger geplagt eine Pause einlegen zu müssen. So kam es, dass Stuart und Eszter mich einholten und wir gemeinsam Richtung Villalcázar de Sirga gingen.

Dort angekommen, wollte unser holländisches Energiebündel immer noch weiter laufen. Liz, die später dazu kam, hatte allerdings genug für heute. Während Eszter vor der Bar sitzen blieb, um ihren Kaffee auszutrinken, gingen wir anderen drei mitsamt ihrem Pilgerausweis zur Albergue. Der Herbergsvater war einer der komischsten Menschen, denen ich auf dem Camino begegnet bin. Als wir zu dritt 4 Betten haben wollten, wurde es ganz verrückt. Dass wir kein Wort Spanisch verstanden, störte ihn überhaupt nicht. Stattdessen wiederholte er alles noch 3 Mal, jedes Mal ein bisschen lauter, und gestikulierte mit seinen Armen immer wilder werdend. Hätte er seine Arme noch einen Tick schneller bewegt, hätte er zu fliegen angefangen. Es half alles nichts – Eszter musste persönlich erscheinen. Ich ging schnell zu ihr, passte auf ihre Tasse Kaffee auf und schaute in der Zwischenzeit Moto GP. Mehr als 5 Minuten braucht man für den Hin- und Rückweg eigentlich nicht, schließlich ist die Herberge nur 2 Straßen entfernt. Ich hatte allerdings nicht mit ihrem messerscharfen Orientierungssinn gerechnet. Eine Dreiviertelstunde später war sie zurück und sagte nur kleinlaut, dass sie sich verlaufen habe. Bei der überschaubaren Größe des Dorfes ein wahres Kunststück.

Liz und ich schauten uns nach einem Restaurant um, wo wir später Stuart’s Geburtstag feiern würden. Als wir zurückgingen, fing uns der Herbergsopa auf der Straße ab. Er gab uns zu verstehen, ihm sofort zur Herberge zu folgen. Was ist denn nun los? Dort angekommen zeigte er auf Liz‘ Namen und deutete Richtung Tür. Wie? Was? Er schmeißt sie raus? Er redete und redete auf uns ein, bis ein Englisch sprechender Spanier die Sache aufklärte. Wir sollten nur den Empfang der Pilger übernehmen, damit der Herbergspapa feiern gehen kann. In dem Dorf stieg heute Abend anscheinend eine große Party. Viele fleißige Hände halfen dabei, das Festzelt aufzubauen und Stände aufzubauen. Unser Übersetzter erklärte sich freiwillig bereit, den Job zu machen.

Auf den Schreck musste ich erst einmal duschen gehen. Auf dem Flur war ein kleiner Apparat mit Münzeinwurf installiert. Man wirft einen Euro ein, drückt auf den Knopf, muss durch ein anderes, voll belegtes Schlafzimmer rennen und kann dann für 10 Minuten duschen. Wahrscheinlich ist die Zeit daran gemessen, wie lange ein Mensch maximal darin verbringen kann, ohne zu kollabieren. Die 1 qm² große Dusche hatte keinerlei Belüftung und schon nach kurzer Zeit hat man die Hand nicht mehr vor Augen gesehen. Wieder besser riechend, „gut“ wäre übertrieben, gingen wir in das Restaurant. Weil grade alle Plätze belegt waren, setzten wir uns mitten in den Gang und warteten bis etwas frei wurde. Draußen wurden Leute mit einer Stierimitation-Schubkarre durch die Straße gejagt während die Jugendkapelle das Spektakel mit der passenden Musik unterlegte.

Am Abend mussten wir der langen Tagesetappe Tribut zollen. An Party dachte keiner mehr. Dank Stuart, der meinen Rucksack in das falsche Zimmer gebracht hat, konnte ich im Frauen-Schlafzimmer übernachten. Nein, nicht deswegen! Es war deshalb gut, weil dieser Raum, im Gegensatz zum Schlafzimmer der Männer, auf der Festzelt-abgewandten Seite lag. Stuart meinte am nächsten Tag, dass er kein Auge zubekommen hat. Dafür hatte er es in seinem Zimmer schön warm. Ursprünglich hatte der Herbergsleiter die Gasheizung in unserem Zimmer aufgestellt, weil Eszter kalt war. Da die Technik aber sehr vertrauenserdrückend aussah, überließen wir sie den Männern. Wir äußerten zwar unsere Zweifel an der Sicherheit, aber ein paar Herren aus Ungarn schien das keineswegs zu stören und nahmen das Geschenk dankend an.

 

 

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