Es ist der 29.03.2014 – 6:30 Uhr. Ich stehe am Bahnhof als es aus den Lautsprechern hallt: Der Zug hat wegen Personen im Gleis Verspätung. Also den Rucksack wieder absetzen. Was tue ich mir da nur an?! Der Rucksack wiegt fast 22 kg und macht jeden Schritt zu einer riesigen Kraftanstrengung, selbst das bloße Herumstehen fällt mir schwer. In der Vorbereitungsphase habe ich zwar ein paar Testmärsche mit 18 kg absolviert, das kam mir allerdings wesentlich leichter vor!

Wir spulen die Zeit 10 Stunden vor und befinden uns in Bilbao, Spanien. Wer den Reisebericht von 2013 aufmerksam gelesen hat, wird sich fragen warum Bilbao und nicht in Leon?. Der Hauptgrund war, dass es von Leon nach Santiago nur 300 km sind – viel zu wenig für die 5 Wochen, die ich Zeit hatte. Sandra, mit der ich letztes Jahr einen Tag lang gewandert bin, schrieb in einer Email irgendwann mal etwas von dem Camino del Norte, der entlang der Nordküste führt. Die Bilder davon weckten sofort die Lust auf mehr und so kam mir die Idee, die beiden Routen miteinander zu verbinden. Von Bilbao nach Gijón sind es ungefähr 300 km Fußmarsch. Von dort aus würde ich den Bus ins 140 km südlich gelegene Leon nehmen und kann von dort die Reise des letzten Jahres fortsetzen. Ich berichtete Liz von meinem Vorhaben, woraufhin sie mir von ihrem geplanten Besuch bei Verwandten in Frankreich berichtete. Wir vereinbarten, uns am 19. April in Sarria zu treffen, um den Jakobsweg gemeinsam zu beenden. Das ist der Ort, an dem sie letzten Jahr ihren Camino abbrechen musste. Sie kämpfte wacker bis zum Schluss gegen die immer stärker werdenden Schmerzen ihrer alten Hüftverletztung an, bis es so schlimm wurde, dass sie sich letztlich nur noch im Rollstuhl fortbewegen konnte.

Bis Sarria trennen mich aber noch gute 500 km. Erst einmal muss ich von dem Flughafen wegkommen. Es fuhren zwar unentwegt Busse, aber ich konnte nicht ausmachen, welcher von ihnen Richtung Zentrum fuhr. Da entdeckte ich zwei weitere Pilger aus Deutschland, denen ich mich anschloss. Ihr Spanisch war ausgezeichnet und so saßen wir innerhalb kürzester Zeit im richtigen Bus. In der Stadt angekommen, trennten sich unsere Wege schon wieder. Nach einer Essenspause wollte ich so schnell wie möglich auf den Jakobsweg und im Idealfall noch 10 km wandern. Aber anstatt am Abend gemütlich in meinem Zelt zu liegen, versuchte ich krampfhaft einen Wegweiser zu finden. Nichts deutete auf den Camino hin. Selbst die Mitarbeiter der Touristeninformation wussten nicht, wo er langführt. 3 Stunden lang bin ich durch die Stadt geirrt. Mal wurde ich in die eine Richtung geschickt, kurz darauf von einer anderen Person in die entgegengesetzte. Als es schon dunkel wurde, fand ich eine Stadtkarte und war grade dabei den Weg mit dem Kompass zu bestimmen, als mich ein älteres spanisches Ehepaar ansprach. Vor drei Jahrzehnten hat er eine Firma in Deutschland geleitet und konnte sich deshalb ohne Probleme in Deutsch unterhalten. Dankend habe ich sein Angebot angenommen, mir den Weg zu einem nahegelegenen Hostel zu zeigen. Noch einmal Glück gehabt, denn 5 Minuten später wurden die Türen verschlossen. Als die gute Dame 20 Euro für das Bett haben wollte, bin ich fast aus allen Wolken gefallen. Letztes Jahr hat die teuerste Übernachtung ca. 13 Euro gekostet. Man bekam zwar mehr Komfort dafür, der war mir aber relativ egal. Als Pilger auf dem Jakobsweg sollte man seine Ansprüche zu Hause lassen, ansonsten wird man in den Herbergen nicht glücklich. Ich konnte dem Ganzen aber auch etwas Positives abgewinnen – so kann ich morgen früh wenigstens das Formel-1 Rennen gucken!

 

 

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