Hurray, der letzte 4000er (Fuß) Berg vor Katahdin. Die Aussicht war mal wieder spitzenmäßig. Ich erkundigte mich bei 2 Sobos, wo die nächste Wasserstelle ist, da ich viel mehr trank als gedacht. Sie erzählten mir von einer Quelle, die sich direkt hinter dem kommenden Campingplatz befindet. Dort angekommen, trank ich sofort einen ganzen Liter. Als ich mich umdrehte, sah ich ein Schild am Baum hängen: “Warnung! Wanderer, die von dieser Quelle tranken, sind danach erkrankt“. Wie konnte ich das nur übersehen? Ich sah mich schon für die nächsten Tage über dem Klo im Hostel hängen. Im Gedanken ging ich durch meinen recht kleinen Erste-Hilfe Beutel. Die Kohletabletten waren das einzige, dass ich gegen Durchfall hatte und nahm sie sofort ein. Ein komisches Gefühl blieb trotzdem und irgendwie hatte ich das Vertrauen in Maine’s Wasserstellen verloren. Deshalb trank ich nur äußerst wenig, bis ich völlig durstig bei der Mittagspause Tato traf und sein AquaMira nutzte. Tarpman schloss ebenfalls wieder zu uns auf. Sein Fußgelenk tut immer noch sehr weh, was ihn aber nicht aufhalten wird. Abends trafen wir eine Deutsche beim Shelter mit ihrem Freund aus Amerika, der für 2 Jahre in Deutschland studiert hat. Sich mit den beiden in Deutsch zu unterhalten war ziemlich ungewohnt und ich merkte, dass ich ganz schön eingerostet bin.

Am Morgen ließ Psych die Bombe platzen, indem er erzählte, dass Spice den Trail verlassen hat. Das hätte ich nie im Leben gedacht, dass er das Handtuch wirft. Vor allen Dingen nicht so kurz vor dem Ziel.

Nach einer Stunde sehr einfachen Terrains kamen wir an einem See mit Sandstrand an und sprangen sofort ins kühle Nass. Mit der wunderschönen Landschaft rundherum war es einfach nur traumhaft! Kurz danach kamen wir an einem Wasserfall vorbei, wo ich ebenfalls ein erfrischendes Bad nahm. Und weil alle guten Dinge 3 sind, gingen wir auch im Kennebec River baden. Die Strömung war stark und der Fluss sehr tief. Darum wird auch davor gewarnt, den Fluss zu durchqueren. Stattdessen kann man den Kanu-Service nutzen, der vormittags und nachmittags für jeweils 2 Stunden die Wanderer von einer Seite zur anderen schippert. In Caratunk versuchten Tarpman und ich uns an der Food Challenge. Innerhalb einer halben Stunde galt es ein halbes Kilo Pommes und einen riesigen Burger zu essen. Wenn man es schafft, ist das Essen gratis. Tarpman verputzte erst den Burger, während ich zuerst die Pommes aß. Das stellte sich als die bessere Taktik heraus, allerdings war es auch damit nicht in der Zeit zu schaffen. Nach der Fress-Orgie konnten wir uns kaum noch bewegen. Zu dumm, dass wir noch 6 Meilen zum Shelter laufen mussten. Anfangs kam ich nur im Schneckentempo voran, bevor sich mein Magen allmählich wieder besser anfühlte.

Ich baute gerade mein Tarp ab, als in der Nähe des Shelters ein großer Baum zu Boden ging. Ich rannte so schnell es ging, um zu sehen, ob jemand verletzt wurde. Glücklicherweise war der Baum ein gutes Stück entfernt und nichts war passiert. Das hätte aber auch anders ausgehen können. Das Terrain, zusammen mit dem warmen Wetter, ließ uns wieder ordentlich schwitzen. Auf dem Gipfel legten wir eine lange Pause ein und genossen die Aussicht. Ein Sektion-Hiker, der uns bald Gesellschaft leistete, berichtete stolz, dass er nur noch 2 Tage vor sich hat. Dann hat er nach 9 Jahren endlich den ganzen AT durchwandert. Am Nachmittag überquerten wir einen Fluss, auf deren anderer Seite eine ziemlich verwirrte Frau ihren Trekkingstock suchte. Sie meinte, er müsse hier irgendwo sein. Wir suchten überall, allerdings ohne Erfolg. Ungefähr 1 Meile weiter nördlich fanden wir einen Trekkingstock, der genau der Beschreibung entsprach. Ihn zurückzubringen hätte wahrscheinlich wenig Sinn gemacht, weil sie ihn bloß wieder verloren würde. Übrigens haben wir am nächsten Tag den zweiten Stock gefunden. Er stand, wie schon der erste, kerzengerade am Rande des Trails.

Tato und ich gingen die vollen 9 Meilen zum Highway nach Monson. Die anderen 3 haben eine Abkürzung über eine Schotterstraße genommen. Als wir im Hostel ankamen, war Cheddar bereits auf und davon. Sein Vater holte ihn zu einer Beerdigung ab. Zu gerne hätten wir uns von ihm verabschiedet – war lustig mit ihm. Mit knurrendem Magen gingen Tarpman, Tato und ich zum Restaurant für ein deftiges Frühstück. Dort gab es seit neustem eine Food Challenge, die ich gleich mal ausprobierte. Diesmal gelang es mir und bin nun als erster, der es geschafft hat, an der Pinwand verewigt. Ein letztes mal mussten wir Proviant einkaufen. Vor uns liegt nur noch die “100 Meilen Wildnis“, sowie 14 extra Meilen zum Gipfel von Mount Katahdin. Wer keine Lust oder Rucksack-Kapazität für soviel Essen hat, kann bequemerweise den Eimer nutzen. Für 25 $ kann man soviel Zeug in einen Eimer packen, wie reinpasst und ihn auf halber Strecke der 100 Meilen absetzten lassen. Kodak und ich teilten uns die Kosten, um es ein wenig leichter zu haben. Denn gerade die ersten 45 Meilen sind ziemlich anstrengend. Was mich besonders freute, war die Tatsache, dass Leki nach langem Hin und Her endlich die neuen Trekkingstöcke gesendet hat. Meine alten sind total korrodiert und lassen sich nicht mehr zusammenfalten. Zudem hatte ich Sicherheitsbedenken, weil der Sicherungs-Pin nicht mehr vollständig einrastete.

Nach einem tollen Frühstück im Hostel begann der letzte große Abschnitt der Reise. Wir wollen die 100 Meilen Wildnis in 4 1/2 Tagen schaffen. Die ersten 45 Meilen sind noch recht hügelig und anspruchsvoll, danach wird es jedoch so flach, wie nie zuvor auf dem AT. Mit dem Wetter hatten wir wenig Glück. Es regnete fast den ganzen Tag. Zu allem Überfluss verlor ich meinen Regenschirm. Wahrscheinlich hat er sich an irgendeinem Ast verhangen und ist unbemerkt aus der Seitentasche gefallen.

Dass die “Wildnis“ doch nicht so wild ist, erfuhren wir schon nach wenigen Stunden. An einer Schotterstraße stand ein Schild, dass uns auf Trail-Magic in 200 m hinwies. Wir folgten der Straße und kamen an einer kleinen Hütte an, wo 2 Männer einen Grill aufgebaut hatten und uns Hamburger und Hotdogs zubereiteten. Sie meinten, dass es hier unzählige Hütten wie diese gibt. Am späten Nachmittag begann es wie aus Eimern zu schütten. Kodak fluchte die ganze Zeit über den Regen. Die Situation war so miserabel, dass es schon wieder lustig war. Der Trail war völlig überflutet und wir stapften übertrieben doll durch das Wasser, sodass es überall hinspritzte. Das Shelter war mehr als einen halben Kilometer vom Trail entfernt. Als wir dort ankamen, mussten wir leider feststellen, dass es voll war. Die Leute grüßten nicht mal, stattdessen guckten sie uns nur blöd an. Ich versuchte mein Tarp aufzubauen, was aber an mangelndem Platz scheiterte. Zum Glück hat Kodak die Leute im Shelter dazu überreden können, ein bisschen zusammenzurücken. Es war verdammt eng! Ich war jedoch nur froh, einen trockenen Schlafplatz zu haben.

Das Gute war, dass es aufgehört hat zu regnen. Dafür war das Terrain viel anspruchsvoller als gedacht. Die Steine und Felsen war glitschig wie Seife und wir mussten verdammt aufpassen, wo und wie wir unsere Füße platzieren, um nicht hinzufallen. Schnell wurde uns deshalb klar, dass das Tagesziel von 24 Meilen außer Frage stand. Wir waren einfach viel zu langsam unterwegs. Am Nachmittag durchwateten wir den mit 50 m breitesten Fluss auf dem Trail. Also mal abgesehen von dem Kennebec River, den wir per Kanu überquerten, weil es nicht anders möglich ist. Ziemlich erschöpft machten wir schon nach 17 Meilen am leeren Shelter Feierabend. Es gesellte sich nur ein Sobo dazu, der heute nach nur 5 Tagen bereits seinen Wander-Partner verloren hat. Wir konnten ihn zumindest ein wenig aufmuntern, indem wir ihm erzählten, dass die nächsten Sobos nur ein oder 2 Tage vor ihm sind und er versuchen solle, zu ihnen aufzuschließen.

Der letzte Gebirgszug erwartete uns. Vom letzten Gipfel sahen wir zum ersten Mal Mount Katahdin. Was für ein komisches Gefühl! Es schien monatelang ein so weit entferntes Ziel zu sein, und nun ist es endlich in Sichtweite. Nach dem Abstieg wartete unser Eimer mit Essen nahe der Schotterstraße auf uns. Hätten wir diese Möglichkeit nicht gehabt, wären die letzten Tage definitiv viel schwerer gewesen. Die Puristen unter den Wanderern sehen das zwar als Schummeln an. Ich hatte allerdings keine Lust mich unnötig über die Berge zu quälen, wenn man das Ganze auch angenehmer gestalten kann. Tarpman und Tato stoppten bei einem Campingplatz, der direkt an einem See lag. Kodak und ich gingen noch 3 Meilen weiter und übernachteten in einem fast leeren Shelter. Außerdem war es Kodak’s erster 30 Meilen Tag, worauf er besonders stolz war.

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