Heute sollte der erste nero-day werden – ein near zero day. Also ein Tag, an dem man fast nicht wandert und sich etwas erholen kann. Vom Shelter waren es nur 3 Meilen bis zur Straße, wo auch schon das Shuttle bereitstand. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass der Fahrer der unfreundlichste Mensch in Georgia ist. Er war leider nicht nur für die Fahrten der Wanderer zuständig, sondern auch für den Check-in des Hostels. Weil ich die Zimmerkosten nicht alleine bezahlen wollte, wartete ich noch 2 Stunden, bis er die nächste Tour machte und hoffentlich mehr Wanderer mitbringt. In der Zwischenzeit habe ich mir die Stadt ein wenig angeguckt und im Outdoorladen gefragt, ob man den gebrochenen Trekkingstock wieder reparieren kann. Leider hatte er keine Ersatzteile, gab mir aber die Telefonnummer des Herstellers. Ein Telefon konnte ich erstmal nicht auftreiben und verschob es auf den nächsten Tag. Kurz nach 11 Uhr kamen dann 2 weitere Wanderer per Shuttle im Hostel an. Blöderweise wollten beide ein Einzelzimmer. Ich fragte den netten Fahrer, ob ich noch warten könnte, bis er nachmittags die letzte Tour macht. Anscheinend gefiel ihm das nicht und bot mir an, entweder alleine einzuchecken oder das Grundstück zu verlassen. Da die anderen Motels in der Stadt noch teurer waren, biss ich in den sauren Apfel und bezahlte die 40 Dollar alleine. Als allererstes wusch ich die Sachen im Waschbecken. Aus den Socken kam sogar noch nach 5 Minuten Dauerspülen Dreck heraus. Natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, das erste Mal warm zu duschen. Die letzte Dusche nahm ich in Neels Gap am dritten Tag, allerdings gab es da nur kaltes Wasser. Man hat sich das gut angefühlt! Der nächste Punkt auf der to-do Liste war Proviant einzukaufen. Nachdem das erledigt war, wollte ich mir eigentlich eine Pizza gönnen. Aber anscheinend liefern sie bloß, weshalb ich ins McDonalds ging, mir den Bauch vollschlug und den Blogeintrag schrieb.
Neuer Morgen, neuer Versuch. Heute war ein anderer Mitarbeiter im Outdoorladen, der freundlicherweise bei Leki angerufen hat. Leider war niemand zu erreichen, er versprach aber am Ball zu bleiben. Spätestens wenn ich in der Hauptfiliale in Franklin bin, würde er mir helfen können. Ich war gerade noch im Gespräch mit ihm, da ließ der überaus freundliche Tj den Motor aufheulen, woraufhin ich schnell zum Bus flitzte. Kurz nach 9 Uhr war ich dann wieder zurück auf dem Trail. Das Ziel war das Standing Indian Shelter, welches der 9 malige Thru-Hiker aus Neels Gap wärmstens empfahl. Ich schlief mit 5 anderen im Shelter, fand aber kaum Schlaf, weil ich es so unbequem war. Ein schönes großes Kissen hätte ich mir gewünscht, aber darauf würde ich wohl noch ein paar Monate verzichten müssen.
Trotz des Schlafmangels legte ich am nächsten Tag die bis dato größte Distanz zurück. Nach 30 Kilometern erreichte ich das Shelter, wo kurz vor meiner Ankunft ein Trail Angel Obst und Gemüse zurückgelassen hat. So kam ich in den Genuss eines schönen Apfels. Zu Hause weiß man das gar nicht zu schätzen, hier freut man sich aber wie Bolle darüber. Mit den anderen Wanderern habe ich mich prächtig verstanden. Von ihnen habe ich auch meinen neuen Trailnamen bekommen. Ein paar Tage zuvor gab Joker mir den Namen Tiger Tank. Gemeint war der deutsche Tiger Panzer. Weil ich allerdings keinen Namen wollte, der auf Krieg schließen lässt, wurde aus der Ursprungsversion zuerst Double T und dann schlussendlich TNT. Abends haben wir ein Lagerfeuer gemacht und Jason, ein ehemaliger Soldat, hat dazu auf der Gitarre gespielt. Einen schöneren Abschluss des Tages hätte man sich nicht vorstellen können. Der sternenklare Himmel kündigte eine kalte Nacht an. Laut Internet bis -5 Grad. Dank der Warnung zogen wir uns alle warm genug an, um nicht zu frieren. Halb vier wurde ich plötzlich wach, als mir eine Maus über die Hand lief. Von da an habe ich nur noch gehorcht, ob einer der kleinen Viecher sich an meinem Rucksack zu schaffen macht. Pipi, die 2 Plätze neben mir lag, haben sie ein Loch in die Seitentasche des Rucksacks gefressen.
6:30 Uhr hat der Wecker geklingelt, damit wir rechtzeitig an der Straße ankommen und ein Shuttle nach Franklin kriegen. Das hat auch wunderbar geklappt und kurz nach 9:00 Uhr saßen wir zu siebent in einem 5 Sitzer, wobei einer in den Kofferraum krabbeln musste. Bis auf Merinda und meine Wenigkeit haben die anderen einen Ruhetag eingelegt. Da wir beide aber erst vor 2 Tagen in Hiawassee übernachtet haben, wollten wir noch am selben Tag zurück auf Trail. Als erstes gingen wir schön frühstücken, gefolgt von einem Besuch im Outdoorladen. Wegen der Trekkingstöcke gab es leider immer noch keine Neuigkeiten, weil niemand ans Telefon geht. Bei unserer Einkaufstour durch die Stadt wurde schnell deutlich wir lauffaul die Amis doch sind, denn Bürgersteige sucht man vergeblich. Mit genügend Essen für 1 1/2 Tage gingen wir zum Outdoorshop zurück, wo unsere Rucksäcke noch standen. Freudestrahlend kam mir da schon der Mitarbeiter entgegen und überreichte mir ein neues Paar Trekkingstöcke. Wie genial ist das denn?! Ein Hoch auf Leki! Ein Shuttle zum Trail war auch schnell organisiert, sodass wir um 15:00 wieder weiterwandern konnten. Merinda wollte es die nächsten Tage etwas langsamer angehen lassen, weil sie doch ziemlich erschöpft war. Darum verabschiedeten wir uns voneinander und ich ging bis zum Abend noch weitere 10 Meilen zum Shelter. In diesen 3 Stunden habe ich auch die ersten beiden Blasen bekommen. Allerdings nicht unter den Füßen, sondern an den Händen, weil die Griffe des neuen Trekkingstocks anders waren.
Total hungrig und müde baute ich zunächst das Tarp auf, bevor Essen gekocht wurde. Als es dann langsam schon dunkel wurde, musste nur noch der Bear Bag mit dem Proviant aufgehangen werden. Beim ersten Baum, den ich mir ausgeguckt habe, verhedderte sich das Seil beständig in dem Gebüsch auf dem Boden. Total genervt bin ich zum nächsten, halbwegs geeigneten, Baum gegangen. Es dauerte nicht lange und das Seil hing fest. Nach einem kräftigen Ruck kam es mir mitsamt Karabiner entgegen geschossen und krachte auf meine Hand. Zum Glück war es nicht das Gesicht, ansonsten wäre ich jetzt wohl weniger fotogen. Der Wurfsack mit dem Gewicht blieb allerdings im Baum hängen. Da ich absolut keinen Bock mehr hatte und es schon recht dunkel war, ging ich zum nächstbesten Ast, über den ich das Seil aus dem Stand heraus rüber legen konnte. Dass das für einen potentiellen Bären ein leicht gefundenes Fressen gewesen wäre, war mir dann auch völlig egal. Gerade als ich es mir dann im Tarp gemütlich machte, entdeckte ich einen Snack im Rucksack. Anstatt nochmal zum Essenssack zu gehen, schmiss ich ihn einfach raus.
Die Nacht war überraschend erholsam und machte den Ärger vom Vortag schnell vergessen. Es regnete zwar, aber das störte mich nicht. Nach 2 Stunden schien dann auch schon die Sonne. Die Kilometer flogen nur so dahin, und ehe ich mich versah, war ich schon am Ziel für heute angekommen. Ein anderer Wanderer erzählte von einem Festival in der nächsten Ortschaft, was ich mir nicht entgehen lassen wollte. In Noc angekommen, buchte ich erstmal ein Zimmer für 20 Dollar und schaute mir dann das Spektakel an. Auf dem Fluss tummelten sich etliche Kanufahrer und versuchten durch die aufgestellten Tore zu fahren (mir fällt gerade der Name der Sportart nicht ein). Das Highlight des Tages war eine Pizza, die ruhig doppelt so groß hätte sein können. Am Abend traf ich noch ein paar andere Wanderer, mit denen ich mich unterhielt. Langsam würde ich gerne einen festen Wanderpartner finden, aber auch unter ihnen war niemand, der täglich so weit wandert. Als es dunkel wurde, verabschiedeten wir uns und gingen pennen. Ich war schon fast eingeschlafen, da klopfte es an der Tür. Der Typ hat angeblich für das Zimmer bezahlt, seine Karte funktioniere aber nicht. War mir auch egal, ob er bezahlt hat oder nicht und ließ ihn rein. Das letzte Bett wurde auf ähnliche Weise gegen Mitternacht vergeben.
Am Morgen dachte ich erst, dass draußen ein Sturm tobt, bis mir dann einfiel, dass jemand den Ventilator eingeschaltet hat. Nach dem üblichen Frühstück, bestehend aus Haferflocken, Erdnussbutter mit Schokogeschmack, Olivenöl und weiteren Nüssen, ging es auf den Trail. Fast 5 Stunden ging es, bis auf ganz kurze Ausnahmen, nur steil bergauf. Nach 11 km war die Plackerei endlich überstanden. Meine Hüfte machte sich schon bemerkbar – Muskelkater garantiert. Nachmittags musste ich zum ersten Mal trampen. Schon das fünfte Auto hielt an. Ein dicker Köter guckte schon aus dem Fenster und kleffte mich an. Die Frau am Steuer vergewisserte mir allerdings, dass er ein ganz lieber sei. Ihr Wort in Gottes Gehör! Sie konnte mich sogar in einer Stunde wieder zurück zum Trail bringen. Besser hätte es ja gar nicht klappen können. In der Zwischenzeit zogen pechschwarze Wolken auf, weshalb ich mich jedoch für eine Übernachtung im 15 Dollar Hostel entschied. Nur finden konnten wir es leider nicht. Nach einigem hin und her entschloss ich mich einfach weiterzuwandern. Der Himmel sah auch schon wieder viel besser aus. Mehr als 3 Meilen waren aber nicht mehr drin. Bis zum nächsten Shelter wären es noch einmal 6 Meilen, was bedeutet hätte, dass ich die Hälfte der Camp-Hausarbeiten im Dunkeln hätte erledigen müssen. Darauf hatte ich wirklich keine Lust. Ohnehin habe ich genug Essen für 4 Tage im Rucksack. Das muss 60 Meilen durch den Great Smoky Mountains National Park bis Gattlinburg reichen. Das Höhenprofil sieht nach einer schweißtreibenden Arbeit aus.

 

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