Wir mussten heute in die Stadt und neuen Proviant für die nächsten 85 Meilen einkaufen. Weil die letzten Stadtbesuche immer mehr als 4 Stunden dauerten, planten wir einen sehr kurzen Tag von gerade einmal 4 Meilen ein. So können wir morgen in aller Früh den Berg hochgehen und minimieren damit die Chance, von einem Gewitter überrascht zu werden. Die darauffolgenden Tage bis Waynesboro sind ebenfalls an das Terrain angepasst und verfolgen dasselbe Ziel. Nachdem wir in Glasgow ankamen, stellten wir fest, dass das einzige Restaurant im Ort montags geschlossen hat. Deshalb gab es Müsli mit Milch zum Mittag. Als das Gewitter nachmittags losbrach und der Regen die Straßen flutete, saßen wir ganz gemütlich in der Bibliothek. Gegen 18:00 Uhr versuchten wir wieder zum Trail zu kommen. Eine dreiviertel Stunde standen wir vergebens an der Straße und versuchten eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Dann wurde es mir zu spät, um einfach nur untätig herumzustehen und überredete Gelati dazu, die 6 Meilen zu Fuß zu gehen. Wir würden jedoch erst im Dunkeln ankommen, wenn uns nicht jemand mitnimmt. Eine weitere viertel Stunde später hielt Gott sei dank ein Pickup-Truck an und fuhr uns zum Trailhead. So sehr haben wir uns wahrscheinlich noch nie gefreut, dass uns jemand mitnimmt! Das hat echt den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Tag ausgemacht. Kurz bevor wir das Shelter erreichten, begann es noch einmal wie aus Eimern zu schütten; begleitet von einem kleinen Gewitter. Zum Glück war das Shelter komplett leer, sodass wir uns das Zelt aufbauen sparen konnten. Denn mit den zunehmenden Massen an Mücken und Moskitos haben wir damit die letzten Nächte wieder angefangen.

Die ersten Stunden konnte man kaum weiter als 10 m sehen, weil es so neblig war. Und als er sich endlich verzogen hat, war ich auch schon beim Shelter angekommen. Kurz danach fing es wieder an zu regnen. Gelati hat noch eine schöne Dusche abbekommen, weil er ca. eine Stunde nach mir ankam. Außer essen, Musik hören und Film gucken, ist nichts mehr passiert. Darum bin ich auch schon kurz nach 19:00 Uhr pennen gegangen. Als ich das erste Mal wach geworden bin, dachte ich mir, dass es sicher bald Zeit zum Aufstehen ist. Falsch gedacht – es waren erst 4 Stunden vergangen

Regen, Regen, Regen. So eintönig wie das Wetter, war auch die Landschaft. Mit völlig aufgeweichten Füßen und Händen bin ich gegen 14:00 Uhr im Shelter eingetrudelt, hab was gegessen und bin danach sofort in den Schlafsack gesprungen. Das Land hatte den Regen aber auch bitter nötig. Die Einwohner klagten schon seit langem über die anhaltende Dürre. Auf dem Trail hat man es vor allen Dingen daran gemerkt, dass einige Wasserstellen ausgetrocknet waren, die laut Handbuch vorhanden sein sollten. Darum trug ich die letzten Wochen auch immer mehr als genug Wasser mit mir herum. Denn dehydriert zu wandern, besonders einen Berg herauf, ist alles andere als lustig! Das Shelter füllte sich wegen des schlechten Wetters viel schneller als üblich. Gelati kam gerade rechtzeitig an, um sich den letzten Platz zu sichern. Etliche Wanderer, die später kamen, mussten ihr Zelt im Regen aufbauen.

Morgens in die klatschnassen Socken und Schuhe zu steigen, macht immer am meisten Spaß.. nicht. Und obwohl es nur ein kurzer Tag von 14 Meilen werden sollte, beeilten Gelati und ich uns ziemlich, weil wir die Vermutung hatten, dass dort sehr viele Leute wegen des immer noch regnerischen Wetters hingehen werden. Wir kamen schon am Mittag an und sahen eine Menge Wanderer kommen und gehen; am Ende des Tages schliefen wir jedoch nur zu viert im Shelter. Unter ihnen war auch Red Pepper, der seit Wochen immer ein oder zwei Tage vor uns einen Eintrag in den Shelter-Tagebüchern hinterlassen hat. Den Distanzen zufolge, die er täglich zurücklegte, dachte ich, dass er einer dieser sportlichen Jungspunde ist. Mit seinen 64 Jahren fällt er allerdings nicht in diese Kategorie. Ich finds einfach erstaunlich, wie er mit uns mithalten kann. Nur auf den Bergauf-Passagen ist er deutlich langsamer und legt ein paar Pausen ein. Apropos Berge, mit dem heutigen Tag haben den letzten großen Anstieg für die nächsten 600 Meilen hinter uns gelassen – Hurray! :-)

Auf gehts nach Waynesboro, was bedeutet, dass wir bald in dem Shenandoah National Park wandern werden, der für seine Bären berühmt ist. Aber das beste war, dass nach Tagen des Regens die Sonne endlich wieder herauskam. Was für ein schönes Gefühl, und der Wald sah gleich viel freundlicher aus! Als ob uns die Stadt magisch angezogen hätte, zogen wir die 22 Meilen zügig durch und kamen schon um 14 Uhr am Highway an. Ein Trailangel lud gerade 2 andere Hiker in ihren Truck ein und versprach uns, danach für uns zurückzukommen. Wir warteten und warteten und sahen schließlich den Grund für ihre Verspätung. Die Straße war in einiger Entfernung nach einem Unfall gesperrt worden. Da wir beide bis spätestens 17:00 Uhr in der Poststelle vorbeischauen mussten, versuchten wir nach einer Stunde letztendlich eine Alternative zu finden. Kurz darauf kam die nette Lady zurück. Sie nahm einen ziemlich großen Umweg in Kauf, um ihr Versprechen zu halten. Vielen Dank dafür! Bei der Post angekommen, nahm ich mein Päckchen mit Mikrofasertüchern, um die Kameralinse zu reinigen, und neue Fischöl-Kapseln entgegen. Bis zu diesem Zeitpunkt bin ich fest davon überzeugt, dass sie eine große Rolle an dem guten Zustand meiner Knie spielen. Deswegen bin ich auch gerne dazu bereit, mehr Geld dafür auszugeben und hochwertiges Fischöl zu bekommen, und eben nicht die günstigen im Supermarkt zu kaufen. Gelati seinerseits freute sich wie ein kleines Kind über seine neuen Trailrunning-Schuhe. Er erhoffte sich dadurch, endlich wieder mit mir mithalten zu können. Bis zum Check-in im Hostel der örtlichen Kirche hatten wir noch genügend Zeit, um im Fitnessstudio eine kostenlose, heiße Dusche genießen zu können. Um 17 Uhr konnten wir uns dann einen der 20 Schlafplätze sichern. Das Hostel basierte auf Spenden und ließ keine Wünsche offen. Die Räumlichkeiten waren alle sehr gepflegt, es gab eine Küche, Dusche, WLAN, zwei Computer, einen riesigen Fernseher und eine kleine Auswahl an Filmen. Zum Abendbrot hätten wir dort sogar Lasagne essen können. Waynesboro, oder besser gesagt Ming Garden, ist allerdings für das fantastische Buffet berühmt, was wir uns nicht entgehen lassen wollten. Das Essen war absolut himmlisch! Ich hab ernsthaft darüber nachgedacht, morgen hierzubleiben, um nochmal hier zu essen. Andererseits wollten wir nicht zu viel Zeit in der Stadt vertrödeln, denn schließlich wollen wir rechtzeitig zu Gelatis Date mit seiner Freundin erscheinen.

Die Stadt war ziemlich groß, und um nicht stundenlang durch die Gegend zu rennen, nahmen wir die Dienste der zahlreichen Trail-Angel in Anspruch. Es gab eine ganze Liste mit Namen, die die Hiker kostenlos von A nach B kutschieren. Unter anderem fuhren wir in ein Restaurant, das das beste Frühstück in der Stadt anbietet. Für nicht allzu viel Geld haben wir uns richtig schön den Bauch vollschlagen können. Da wir den Tag nicht viele Meilen vor uns hatten, konnten wir uns einen später Start leisten. Nach den ersten hundert Metern, hätten wir beinahe vergessen, uns für den National Park zu registrieren. Dazu musste man einfach ein kleines Formular mit Durchschrift ausfüllen und in den Kasten werfen. Das Terrain war relativ einfach, aber der Rucksack wog viel mehr als sonst, was mich meine Schultern gnadenlos spüren ließen. Schuld war meine grandiose Idee 2 kg Dosen-Lasagne und Bohnen zu kaufen, um sie noch vor Abreise aus Waynesboro zu essen. Nun, dazu kam es leider nicht mehr, weshalb ich mir jetzt wie ein Packesel vorkam. Die Hälfte hab ich den Abend verdrückt, und die andere Hälfte den nächsten Morgen. Damit war das Problem gelöst.

In allen Früh hab ich gehofft, endlich mal einen Bären zu sehen. Aber außer einigen Rehen gabs nichts zu sehen. Zur Mittagszeit hat mich Gelati eingeholt, woraufhin wir uns gemeinsam zum Restaurant aufmachten. Das ist das schöne am Shenandoah National Park: man kann fast täglich irgendwo Halt machen und etwas essen gehen. Das, und das sehr flache Terrain, machen diesen 103 Meilen langen Abschnitt zu einem der beliebtesten Einstiegstrips von Section-Hikern, die sich langsam an den Appalachian Trail herantasten wollen. Nachdem wir ordentlich gegessen haben und zurück auf dem Trail waren, gingen wir für ca. 20 Minuten, ohne eine einzige Wegmarkierung zu sehen. Wir wären schon beinahe umgedreht, um zu sehen, ob wir nicht eine falsche Abzweigung genommen haben. Denn bei all den verschiedenen Trails kann man schon mal schnell durcheinander kommen. Als wir dann endlich einen weißen Strich an einem Baum sahen, konnten wir wieder aufatmen. Am Shelter angekommen, machten wir Bekanntschaft mit den „Two Bad Dogs“ Art und Lynn. Beide waren schon Rentner und hatten unglaublich viel von ihren vergangenen Reisen zu berichten. Unter anderem von dem PCT, den sie vor 2 Jahren erfolgreich durchwandert sind. Der Trip hat mich schon vorher fasziniert, aber nach ihren schwärmenden Worten, platzte ich fast vor Vorfreude. Ich muss nur sehen, welches Jahr ich ihn in Angriff nehme. Gelati war auch ganz Feuer und Flamme und würde gerne mitkommen, wenn es die Zeit erlaubt.

 

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