Nein, es tauchte kein Meuchelmörder mehr auf, und so stand einem erholsamen Schlaf nichts im Wege. Um 10 Uhr hab ich erst das Haus verlassen. Die zusätzlichen 9 km von gestern verkürzten den heutigen Tag auf 29 km. Die Etappen habe ich mir vor ein paar Tagen eingeteilt, um rechtzeitig in Gijón anzukommen und dann noch ausreichend Zeit zu haben, um nach Sarria zu kommen.
Das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite, es war sogar schon ein bisschen zu heiß. Laut einem Wegweiser in Bóo de Piélagos waren es bis zum nächsten Dorf 4,5 km. In dem Wanderführer stand, dass man ebenso gut die Eisenbahnbrücke überqueren könne und somit fast eine Stunde einspart. Allerdings gab es mehrere eindeutige Warnhinweise vor den Gleisen, dass das verboten ist. Um nicht in einen Gesetzeskonflikt zu geraten, wollte ich das Stück auf dem legalen Wege mit dem Zug bewältigen. Ein sehr hilfsbereiter Jugendlicher rief sogar bei der Hotline an, um zu erfahren, dass der nächste Zug erst in 6 Stunden fährt. Wenn das so ist, muss ich ja keine Angst haben, einem Zug auf der Brücke zu begegnen. Trotz des schmerzenden Knies brachte ich die paar hundert Meter im Laufschritt so schnell wie möglich hinter mir. Als ich das Dorf schon halb verlassen hatte, hörte ich doch noch einen Zug durchrasen.
Wie wichtig es ist, genügend Wasser an einem so heißen Tag mitzunehmen, musste ich am späten Nachmittag auf die harte Tour lernen. Es war inzwischen extrem heiß geworden und ich lief völlig dehydriert unter der prallen Sonne. Als das nächste Dorf nach einer gefühlten Ewigkeit erreicht war, musste ich mich erstmal eine Stunde in der klimatisierten Bar ausruhen und Wasser tanken. Das Gute daran war, dass ich so das Formel-1 Qualifying nicht verpasst habe!
Die letzten 2 Stunden nach Santillana del Mar zogen sich wie zäher Kaugummi hin. Dort angekommen, fühlte es sich an, als ob man eine andere Welt betreten hat. Ist man vorher noch durch verschlafene Dörfer gelaufen, in denen es mehr Hühner als Menschen gab, wurde man hier nur so von Touristen überrannt. Obwohl die Stadt mit 4000 Einwohnern ziemlich klein war, waren die Straßen voll von Restaurants und Hotels; sogar ein 5 Sterne Parador Hotel ist darunter! Auf der Suche nach der Albergue traf ich Igor und Guillermo, die beiden Weggefährten von Ugnius, wieder. Sie kamen gerade vom Einkaufen und begleiteten mich zur Herberge. Schon von weitem begrüßte mich Ugnius mit einem lauten „NICOOOO!!!„. Veronica, die Tochter einer Krankenschwester, verarztete gleich mein geschundenes Knie. Wenn es morgen noch schlimmer wird, muss ich leider zum Busogrino werden.