Die Nacht über hatte ich leichte Schweißperlen auf der Stirn. Ein Hüne von Mann schlief im Bett über mir und ließ es bei jeder Bewegung krachen. In aller Frühe hab ich mich halb 7 aus dem Haus geschlichen. Ich find es einfach herrlich, der Sonne beim Aufgehen zuzuschauen. Das ist nicht nur die schönste Zeit des Tages, sondern auch die beste um Fotos zu machen. Mit einem wahnsinns Tempo bin ich an unzähligen Pilgern vorbeigerast. Das Training der letzten 2 Wochen machte sich jetzt deutlich bemerkbar. Bei einer Fotopause sprach mich ein Ire an. Erst wusste ich gar nicht, welche Sprache das sein soll, bis er sich schließlich ein wenig bemühte, seinen Akzent zu unterdrücken. Sein Knöchel hat ihm schwer zu schaffen gemacht. In den vergangenen 12 Tagen hat er die Strecke zurückgelegt, für die wir 18 Tage benötigten. Selbstverständlich gab ich ihm 2 Aspirin Ttabletten, wofür er sich mit einer Tasse heißer Schokolade revangierte. Das ist das schöne auf dem Jakobsweg – man konnte sich immer darauf verlassen, dass jemand des Weges kommt und einem hilft. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Teilen der Erde kommen hier zusammen und sind einfach nur Pilger wie jeder andere. Da spielt die Herkunft absolut keine Rolle mehr.

Zusammen gingen wir noch eine Stunde auf der weiten Ebene. Von Hontanas, wo wir uns heute wieder treffen wollten, war nichts zu sehen. Angesichts der Tatsache, dass man mindestens 10 km weit in alle Richtungen gucken konnte, war das ziemlich demotivierend. Umso erfreulicher war es, als der Weg plötzlich in ein Tal führte, wo sich das Dorf versteckt hielt. Während ich auf die anderen drei wartete, half ich einem Deutschen sein Fahrrad zu reparieren. Es gab so manche Tage, an denen ich mir auch ein Fahrrad gewünscht hätte. Allerdings würde einem dadurch auch das Gefühl für die Distanz verloren gehen. Bei einem Tagespensum von 60-70 km am Tag würde man Santiago eher erreichen, bevor man sich erst einmal eingelebt hat. Und der wohl größte Nachteil wäre, dass man in keiner festen Gruppe reisen kann. Zumindest sind die Chancen darauf viel kleiner, wenn man nicht schon mit einem Partner startet. Und auf dieses Erlebnis würde ich beim besten Willen nicht verzichten wollen. Mit seinen Freunden Geschichten auszutauschen und gemeinsam zu lachen ist für mich der schönste Aspekt des Jakobsweges geworden.

Am Abend haben Stuart und Liz ein köstliches Abendessen zubereitet. Es war auch noch genug für die anderen Pilger übrig geblieben. Mir gegenüber saß ein Bayer, der sich mit Eszter unterhielt. Oder besser gesagt, es versuchte, denn sein Englisch war nicht grade das Beste. Hier ein kleines Beispiel seiner oralen Vergewaltigungen:  „I was in the snake on the supermarkt“. Eszter guckte ihn nur mit großen Augen und 3 Fragezeichen über dem Kopf an. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen, war dann aber doch noch so fair und übersetzte seine geistreichen Ergüsse. Eine weitere Weisheit, die er mit uns teilte, war „Wenn man auf dem Camino nicht leidet, ist es kein richtiger Camino.“ Nur um dann im nächsten Moment zu erzählen, dass er morgens das Haus nicht ohne Handschuhe verlässt, weil ihm sonst die Finger frieren. Ach, der Ärmste.

 

 

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