Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht! Ein Monat ist nun schon vergangen, seitdem die Reise losging. Am meisten vermisse ich wohl mein bequemes Bett zu Hause – also mal abgesehen von Familie/Freunden und dem Essen. Denn auch diese Nacht habe ich mal wieder unglaublich schlecht geschlafen und wollte schon eine Nachtwanderung einlegen, entschied mich dann aber doch noch ein paar Stunden liegen zu bleiben. Was sich später als gute Idee herausstellte, weil ich sonst die Trail-Magic von Scout und Gadget verpasst hätte. Die beiden haben letztes Jahr den AT erfolgreich absolviert und bedankten sich mit einem riesen Stand voll Essen und Getränken für die Trail-Magic, die sie selbst erfahren haben. Erst hielt ich mich noch dezent zurück, bis die beiden darauf bestanden, dass ich so viel essen solle, bis ich satt bin. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen und verdrückte insgesamt 4 Stücken Kuchen, 2 Äpfel, 2 Hotdogs und etliche Kekse. Gelati und Backtrack, die kurz nach mir ankamen, tranken außerdem etliche Biere. Nach 2 Stunden der Völlerei wanderten wir zum ersten Mal gemeinsam, denn normalerweise sind mir die beiden zu schnell. Nach der Stärkung war das aber kein Problem und so erreichten wir nach kurzer Zeit das nächste Highlight des Tages: Max Patch. Eine große Wiese auf dem Gipfel des Berges mit einer grandiosen Aussicht. Am Ende des Abstiegs widerfuhr uns Trailmagic Nr. 2! In einem Beutel entlang des Weges gab’s für jeden von uns ein Ziplock-Beutel mit einem Trailmix aus Nüssen und sonstigem Süßkram. Und als ob das nicht genug des Guten wäre, schenkten uns am Shelter ein paar Section-Hiker allerlei Snackbars. Das einzige was den Tag noch gefehlt hat, war Handyempfang, um meiner Mutter zum Geburtstag zu gratulieren. Ansonsten wäre der Tag perfekt gewesen.
Weil wir gestern früher stoppten als geplant, beschlossen wir, schon um 6 Uhr nach Hot Springs aufzubrechen. Um 11 Uhr hatten wir dann die 13 Meilen hinter uns gebracht und noch genügend Zeit, uns auszuruhen. In dem Hostel trafen wir zu unser freudigen Überraschung Baltimor Jack wieder, den ich in Neels Gap zum ersten Mal sah. Er ist derjenige, der den AT bereits 9x gewandert ist. Nicht nur ist er ein wandelndes Lexikon was das Wandern angeht, sondern auch ein wahres Ass in der Küche. Wo wir gerade vom Essen sprechen: zum Mittag aßen Backtrack, Sashay und ich den Special Hiker Burger – einen 340 g Burger mit einer großen Portion Pommes. Für einen Nicht-Wanderer wäre das viel zu viel gewesen. Ich hätte allerdings nichts dagegen gehabt, wenn er doppelt so groß gewesen wäre. Als ich nachmittags in den Outdoorshop ging, um eine neue Aufbewahrungsflasche für den Alkohol zu kaufen, traf ich Chef wieder. Er und eine andere Wanderin wollten gerade zu den Hot Springs gehen und fragte, ob ich nicht mitkommen möchte. Für 10 Dollar pro Nase saßen wir wenig später in einem Whirlpool, der mit dem Wasser der naheliegenden heißen Quellen gefüllt war. Mann, tat das gut! Abends machte uns Baltimor Jack ein köstliches Abendessen mit Salat, Chili Con Carne und Cornbred – ein typisch amerikanisches Brot, das einfach nur himmlisch gut war.
Der Weg aus Hot Springs heraus war unglaublich anstrengend. All die Höhenmeter, die wir den Tag zuvor sanft bergab gingen, mussten nun in der halben Distanz wieder erklommen werden. Nach 10 Meilen, die mir eher wie 20 vorkamen, erreichte ich endlich das erste Shelter, wo sich Backtrack und Sashay gerade zum Aufbruch bereit machten. Ungefähr eine dreiviertel Stunde blieb ich dort und aß genüsslich Mittag; Gelati tauchte jedoch nicht auf. Was ungewöhnlich war, da er normalerweise der schnellste aus unserer Gruppe ist. Nach ein paar Meilen holte ich bereits Backtrack und Sashay ein, die nicht nur sehr langsam gingen, sondern auch recht viele Pausen einlegten. Ich ging für eine Weile mit den beiden, bevor ich alleine vorausging. Das langsame Tempo der beiden war mir dann doch zu anstrengend. Gerade als es wieder einen Berg hochging, rollte ein Gewitter herein. Nicht so schlimm wie das erste vor 2 Woche, aber dennoch genug, um meinen Puls in die Höhe schnellen zu lassen. Die gute Nachricht war, dass das Shelter bald erreicht war und ich dankbar den letzten freien Platz genommen habe. Die beiden Bummel-Lieschen kamen wenig später völlig durchnässt im Regen an. Meine Befürchtungen, dass Gelati seinen Blasen Tribut zollen musste und die knapp 19 Meilen nicht schaffen würde, bestätigten sich zum Glück nicht. Er kam zwar recht spät an, aber er hat es geschafft. Seine Wanderschuhe baumelten draußen am Rucksack, weil sie ihm auf den Bergab-Passagen die Füße ruinierten. Stattdessen lief er in Zehen-Schuhen, eine der minimalistischten Arten von Schuhen, die es gibt. Für ihn als Läufer stellte das kein Problem dar. Ich könnte darin wahrscheinlich keine 10 Meilen laufen, ohne mir die Füße bzw. Knie zu ruinieren.
Gegen 7:30 Uhr ging ich morgens allein los und wanderte die 10 Meilen bis zur Mittagszeit in einem Ruck. Dort leisteten mir 5 junge Section-Hiker Gesellschaft, mit denen ich mich gut verstand. Als ich ihnen sagte, dass ein 10 Meilen-Tag einem Ruhetag gleicht, mussten sie laut lachen. Denn das stellte für sie schon eine große Herausforderung dar. Backtrack und Co. schlossen nach einer Stunde auf, woraufhin wir gemeinsam weitergingen, bis es wieder über unseren Köpfen grummelte. Während die anderen unbeirrt durch das Gewitter gingen, setzte ich mich zu den Section-Hikern, die an der Straße unter einer Plane saßen und warteten, bis alles vorbei war. Eine Stunde später ging ich weiter und musste feststellen, dass wir Backtrack endgültig an die Frauenwelt verloren haben. Denn er und Sashay campten zu zweit kurz vor dem Shelter und ließen sich auch am nächsten Tag nicht blicken.
Am nächsten Morgen war ich ungewohnt ausgeschlafen, weil die Hüfte endlich wieder schmerzfrei war und mich nicht die ganze Nacht wachhielt. Sonst ist nicht viel passiert. Nach einem langen, heißen Tag kam ich am Shelter an, wo Gelati schon seit einer Stunde wartete. Wäre es nach ihm gegangen, wären wir noch 6 weitere Meilen nach Erwin gegangen. Da es aber schon wieder gewitterte, konnte ich ihm die Idee zum Glück ausreden.
Weil Gelati am Samstag unbedingt ein Paket von der Poststelle abholen musste, legten wir einen Frühstart hin. Das Hostel lag direkt am Trail und bot für 5 Dollar ein Shuttle-Service in die Stadt an. Übernachten wollte ich dort aber aufgrund des heftigen Preises von 20 Dollar nicht und entschied mich für die kostenfreie Variante des 4 Meilen entfernten Shelters. Gelati entschied sich dagegen zu bleiben, um alles zu erledigen, was er sich vorgenommen hatte. Er mietete sich ein Fahrrad und fuhr damit den halben Tag in der Gegend herum. Während ich auf das Shuttle wartete, trudelten Backtrack und Sashay ein, mit denen ich anschließend in die Stadt fuhr. Der riesen Vorteil, wenn man mit einem Ami unterwegs ist, ist, dass man zu den günstigsten Essensketten geführt wird. In unserem Fall ließen wir uns in einem All-you-can-eat-Pizza-Restaurant nieder und aßen eine Stunde lang ununterbrochen Pizza vom Buffet. Ich hab wahrscheinlich 3 Pizzen verdrückt, und das für nur 7 Dollar! Hätten wir nicht noch Proviant einkaufen müssen, wären wir wohl sogar noch länger geblieben. Als alles erledigt war, und uns das Shuttle zurück zum Hostel brachte, stellte ich mit großem Entsetzen fest, dass das Paket mit nicht mehr benötigten Sachen, welches ich zu Charly’s Schwester schickte, nicht zugestellt werden konnte. Kyle, der dort ebenfalls wohnt, hat sofort seine Hilfe angeboten und innerhalb weniger Minuten die Sache klären können. Vielen, vielen Dank dafür, Kyle! Bevor es Richtung Shelter ging, nahm ich noch schnell ein erfrischendes Bad im Fluss. Genau das richtige an diesem heißen Tag.
Heute wollten Gelati und ich uns bei Meile 369 treffen. Kurz nach 6 Uhr startete ich die Etappe von 22 Meilen und kam bereits 14:30 Uhr an. Gelati hatte eine ganze Marathon-Distanz absolviert, als er abends ankam. Gesellschaft leisteten uns 3 Freunde, die allesamt Veganer sind. Sie mussten im Vorfeld allerhand vorbereiten und Essensboxen verschicken, um unterwegs nicht zu verhungern. Denn in den zum Teil recht kleinen Ortschaften findet man nicht gerade viel vegane Lebensmittel. Wir verstanden uns super und ich hoffe, dass sich unsere Wege in der Zukunft noch öfter kreuzen werden.

 

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